Von Franz Issing
Mindelheim. Die Veranstalter können aufatmen. Ihre Rechnung attraktives Theater zu günstigen Preisen anzubieten, scheint aufzugehen. Dabei war die Kost, die da an drei Tagen im Stadttheater serviert wurde, nicht immer leicht, aber doch sehr schmackhaft.
Anspruchsvolle Texte und Dialoge forderten die ganze Aufmerksamkeit der Zuschauer. Wer historisches Wissen mitbrachte, war leicht im Vorteil. Besonders bei der Aufführung des Schauspiels „Lotzer – eine Revolution“.
Historie in modernem Gewand
Das Stück von Margareth Obexer erzählt von dem Memminger Rebellen Sebastian Lotzer und seinem Kampf um Frieden und Menschenrechte. Historischer Stoff, den Regisseurin Britta Schreiber vom Landestheater Schwaben modern aufbereitete. Um es vorwegzusagen, der schwierige Spagat ist ihr gut gelungen, obwohl sie mit historischen Zwängen und dichterischer Freiheit mitunter sehr sorglos umging. Auf dem T-Shirt des Revoluzzers stand zu lesen, für welche Ideale er sich einsetzte: Für Freiheit und Demokratie. Mutige Worte waren es, welche die Autorin ihrem Helden in den Mund legte. Leidenschaftlich trug Helwig Ahrenz, alias Kürschnermeister Sebastian Lotzer sein in zwölf Bauernregeln gefasstes Programm vor. Während der Mime zu Beginn des Stückes noch recht blass wirkte, gewann er im zweiten Akt mehr und mehr an Profil.
Im Zentrum der Handlung um „Lotzer“ steht der Konflikt mit dem Bauernführer Thomas Münzer. Beide wollen sich der Ausbeutung und Unterdrückung durch die Herrschenden widersetzen. Doch Münzer ist für Gewalt und drängt dabei den zögerlichen und grüblerischen Einzelgänger Lotzer mehr und mehr in die Defensive. Warum sich der stets auf sein großes Vorbild Martin Luther beruft, blieb vielen Kennern der Historie unerfindlich. Hatten doch auch die Memminger mit Christopf Schappeler einen grandiosen Reformator. Der aber kommt in dem Drama überhaupt nicht vor.
Viel mehr geht es in dem Epos um die Freiheit Lotzers, der sich lieber einen Baum sucht, von dem er herunterschauen kann, als sich den Zwängen der Welt und der Rebellion zu stellen. Der Revoluzzer in Turnschuhen redet viel von Freiheit. Doch dieser Begriff wird in dem Stück zu wenig definiert, kritisierte einführend Dr. Reinhard Baumann. „Die Chronologie der Ereignisse um 1525 wird mit dichterischer Freiheit aufgeweicht und das erweist sich für das Verständnis des Publikums etwas problematisch“, kritisierte der Historiker.
„Lotzer“ steht nicht für seichte Unterhaltung, sondern fordert das Publikum zur Auseinandersetzung mit der Geschichte der Bauernkriege auf. So sah dies auch Jonathan Sparrer aus Kammlach, dem das Stück sehr gut gefiel. Den Lotzer hat sich der junge Mann aber eher als verwegenen Revoluzzer, denn als sanften Rattenfänger vorgestellt. Den Transport des historischen Stoffes in unsere Zeit, hält er für gut gelungen. „Spannend und gut gespielt“ lobt Ingrid Mayer aus Unterrieden die Aufführung. „Da muss man ja richtig mitdenken“. Maria Schmölz beeindruckt vor allem die Wortgewalt. „Um das Stück zu verstehen, muss man schon Vorwissen mitbringen“, findet die Geschichtslehrerin. Und wie sieht Bernhard Lutz aus Mindelheim das Schauspiel? „Man erlebt ein Stück Heimatgeschichte, die einem bis dato völlig unbekannt war, ich bin begeistert“, äußert sich der junge Malermeister. „Das Spiel mit Historie und Moderne erzeugt viel Spannung“.
Spannend, wenn auch geschichtlich nicht immer belegbar findet auch Bürgermeister Stephan Winter das dramatische Stück. „Wir haben uns dafür entschieden, als das Buch noch gar nicht geschrieben war und quasi die Katze im Sack eingekauft“, verriet der Rathauschef. „Was dabei herauskam, war alles andere als ein zahmer Tiger“.