MIRANDOLINA • CARLO GOLDONI • DEUTSCHES THEATER UNGARN, SZEKSZARD • 21.10.2010
Ein mehrsprachiges Theaterprojekt in ungarisch, deutsch & rumänisch
Mirandolina, Wirtin – Ildikó Frank
Conte d’Albafiorita – Gergő Farkas
Marchese di Forlipopoli– Bernd von Bömches
Cavaliere di Ripafratta – Andrei Hansel
Ortensia, Schauspielerin – Melinda Pitz
Dejanira, Schauspielerin – Richárd Máté
Fabrizio, Kellner – Dániel Solymár
Presse
Ein heiteres Schmunzeln umhüllte die Deutsche Bühne in Seksard bei der Premiere des neuen Stücks „Mirandolina“. Vor vollem Haus führte das Ensemble die zweistündige experimentelle Komödie vor, wo die Schauspieler Texte auf deutsch, rumänisch und ungarisch sprachen. Ein Sprachenwirrwarr, welcher unter anderem durch die Akzente der Schauspieler witzige Situationen hervorbrachte. Zwar hat die „Dolmetscherei“ das Stück an einigen Stellen verlangsamt, doch insgesamt war es eine interessante Erfahrung, das Unverständnis einer Sprache aus einer anderen Perspektive zu erleben, dies wurde durch das Rumänische nur verstärkt.
Grundlage der Geschichte ist die Komödie aus dem 16. Jahrhundert, aber die Charaktere und das Geschehen der Liebesgeschichte haben heute ebenso Bestand. Mirandolina, gespielt von Ildikó Frank, wickelt in Stöckelschuhen und blonder Perücke alle Männer um den Finger und alle tanzen nach ihrer Pfeife, ein Phänomen, welches in jedem Jahrhundert zu finden ist. „Die Premiere ist gut gelungen, ich war für jede Reaktion des Publikums dankbar“, meinte Intendantin Ildikó Frank nach der Vorführung. „Wir hatten im Juni eine Vorprobewoche, und die Regisseurin hat erst nach dieser Begegnung die Texte vollendet. Unsere spontanen Ideen wurden alle in das Stück integriert“, so Frank, die auch zugab, das Publikum läßt sich eben viel leichter mit einer Komödie ins Theater locken als mit klassischen Stücken.
„Die Aussage des Stückes war uns nicht so wichtig, eher die Charaktere und dieses Spiel mit den Sprachen, das wollten wir ausprobieren“, erzählte die deutsche Regisseurin Britta Schreiber. „Es war ungewohnt für mich, daß ich hier im Theater so viele Sprachen hörte und die Schauspieler oft nicht verstand. Das widerspiegelt sich auch im Stück.“ Es war gewiß eine große Herausforderung für die Schauspielerinnen und Schauspieler, innerhalb eines Stückes, ja gar innerhalb eines Satzes, drei Sprachen zu benutzen, man merkte aber gleich, welchem Schauspieler welche Sprache am nächsten ist. Witzige Musik, Licht und Szeneneinlagen haben die Unterhaltung aufrechterhalten, Klischees von heute wurden humorvoll eingesetzt.
„Bei uns im Theater werden mehrere Sprachen benutzt, denn unser Ensemble ist eben international, hier hört man Deutsch, Ungarisch, Rumänisch und sogar Englisch, so ist auch unser Alltag“, erklärte Ildikó Frank, die die Verführerin Mirandolina meisterhaft darstellte. Obwohl in der Nebenrolle, stach die Verkörperung der Schauspielerin Dejanira durch Richárd Máté positiv hervor und wurde auch vom Publikum mit großem Applaus belohnt. (Chr. A.)
Witz komm raus: Du bist umzingelt!
Carlo Goldoni hat es nicht leicht, der Autor vieler Komödien lebte im 18.Jahrhundert und damit weit vor unserer Zeit. Er kann nicht auf heutige Befindlichkeiten und Besonderheiten reagieren, aber er schrieb zeitlose Komödien, die bis zum heutigen Tag auf den Bühnen zusehen sind. Die Deutsche Bühne Szekszárd, 1982 als einziges professionelles Theaterensemble im Komitat Tolnau gegründet, hat sich nicht dem bekannterem Hauptwerk „Diener zweier Herren“ zugewandt, sondern der 1752 uraufgeführten „Mirandolina“, und damit eine italienische Komödie für die deutschen Besucher auf die Bühne gebracht. Diese Bühne wird von einem Verkaufsbudenstand dominiert, der in Üppigkeit und Form die Gastwirtin aufnimmt. Diese Frau hat es allen angetan, denn als attraktive Gastwirtin wird sie von einem hysterischen Frauenhasser, einem veramten Adligen und einen neureichen Schnösel begehrt. Doch schon am Sterbebett ihres Vaters wurde sie ihrem Angestellten versprochen: der Kellner als Ehemann. Will sie das? Eine selbstbewusste Gastwirtin geht resolut, gegen die sie begehrenden Männer vor und verteidigt ihre Selbständigkeit. Ja, das Stück ist über 250 Jahre alt!
Solymár Dániel ist jünger als das Stück und spielt die Rolle des Kellners, der nur deshalb das Spiel der Liebhaber mitmacht, da er der Meinung ist, dass er seine Chefin am Ende heiraten wird. Der in München geborene Sohn ungarischer Eltern musste mit 14 Jahren sein Gymnasium in München verlassen und in Hase (Nyul), Ungarn leben. Er hätte in München eine Kariere als drogennehmender und waffenschiebender Kleinkrimineller beginnen können, da seine Schule in einem Münchener Problembezirk stand, musste dann aber doch in Ungarn zur Jugendtheatergruppe des Györer Nationaltheaters gehen. Er versucht noch einmal eine bürgerliche Karriere und arbeitet ein Jahr außerhalb der Bühne, unbefriedigt wendet er sich dem Schauspielstudium zu, beginnt diese und wird schon ein Jahr später nach Szekszárd gerufen, erst als Gast und später als festes Ensemblemitglied. „Es ist eine sehr schöne Stadt, mit gutem Rotwein und netten Kollegen“ so Solymár. Er liebt seinen Beruf und wird sein Studium vollenden, schon um als staatlich angestellter Schauspieler in eine höhere Gagenklasse zu kommen. Die Deutsche Bühne ist für ihn zur Heimat geworden – „Es ist ein Theater, wo in der Dramaturgie ein Bett steht, den Dramaturgen gab es aber früher!“ (auch Solymár, mit einem Augenzwinkern und dem Verweis auf die ausgebuchten Häuser der Stadt zum Weinfest).
Er agiert in einem Ensemble aus 7 Schauspielern, dass von einer Intendantin angeführt wird. Frank Ildikó, mit Preisen ausgezeichnete Schauspielerin und seit 2004 Intendantin der Deutschen Bühne, spielt an diesem Abend die Hauptrolle und überzeugt in einer interessanten Figurendarstellung. Sie flirtet mit dem Publikum und kann die Facetten der Figur aufzeigen. Die Liebhaber, gespielt von Farkas Gergő, Bernd von Bömches und Andrei Hansel können, neben ihr, nicht wirklich in eine Rolle finden, da sie zu sehr mit sich selbst, und der Rolle kämpfen. Dies klingt sehr negativ, ist aber der Regie zuzuschreiben. Dieser Abend leidet unter einer Regie, die in Klischees und vielen platten Attitüden stecken geblieben ist. Es gibt bei keiner Figur eine Entwicklung. Sogar im Stück bleiben Unklarheiten. Fragen werden nicht beantwortet: Warum will Mirandolina allein bleiben? Spielt sie nur mit den Liebhabern? (Dann wäre sie grausam!) Oder liebt sie diese wirklich? (Dann wäre sie dumm!) Oder ist alles einfach nur ein Spiel? Aber was für eines? Britta Schreiber kann keine Antworten finden. Leider kann ihre Ausstatterin Julia Rogge nicht mit dem geringen Bühnenbildetat, der zur Verfügung steht, umgehen. Es wirkt alles sehr „abgefuckt“, was hätte interessant sein können, ist dann aber nicht stilrein und schaut so leider nur geschmacklos aus.
Scheinbar ist dies ein Programm – aber es lässt keine Stimmung aufkommen. Diese Spielstimmung wird endgültig zerstört, wenn die beiden Schauspielerinnen (Melinda Pitz und Máté Richárd) auftreten. Es ist nicht neu, dass eine der Beiden, von einem Mann gespielt wird. Aber „nur“ einen Mann in ein Frauenkostüm zu stecken und ansonsten völlig als Mann zu belassen, ist inkonsequent und wirkt genau so im Probenprozess stecken geblieben, wie der Rest der Produktion.
Es steht die Frage über die Regie im Raum: Was soll das Ganze? Denn die Momente guter Personenführung, wie sie im zweiten Akt zwischen Solymár Dániel und Frank Ildikó entstehen, bleiben vereinzelt und solitär. Solymár spielt auch hier mit vollem Einsatz, spricht aber oft zu undeutlich, was dann auch sein ambitioniertes Spiel nicht ausgleichen kann. Frank bleibt auch in diesen Szenen dominierend.
Das größte Fragezeichen des Abends steht hinter der Fassung: Die Dreisprachigkeit, vom Ensemble gemeinsam mit der Regisseurin erarbeitet, erweist sich eher als Bürde, da trotz einiger witziger Momente, auch hier der Holzhammer dem Humor vorgezogen wird. Marquese – Marquise – Käse ist beim erstmaligen Hören zum schmunzeln, danach stört es. Es entsteht so kein stringenter Erzählfluss, dies ist bedauerlich, denn das Potential einiger Schauspieler und die intime Atmosphäre des Hauses hätten viel ermöglicht.
Tipp: Die Stadt atmet Atmosphäre: Trinken sie einen Kaffee auf den Plätzen und nehmen sie die Ruhe und Gelassenheit, die hier alles ausstrahlt, mit in die Vorstellung. Die kleine Stadt bietet einige sehr schöne Gebäude und ein geschlossenes Architekturensemble in der Innenstadt. Natürlich ist die Stadt für das wichtigste Produkt der Region bekannt – Der hiesige Wein spielt eine große Rolle, völlig zu Recht! Daher machen sie einen Ausflug in die Umgebung und lassen sie sich ruhig in verschiedenen Weinkellern bewirten.
von Patrik Wurzel