Der Diener zweier Herren • Carlo Goldoni • Landestheater Schwaben, Memmingen • September 2006
Dem Diener Truffaldino reicht ein Gehalt nicht aus, so dass er heimlich eine zweite Stelle annimmt. Sein erster „Herr“ ist Beatrice Rasponi, die unter dem Namen ihres ermordeten Bruders Federigo reist und ihren Geliebten Florindo sucht. Ausgerechnet dieser Florindo wird der zweite Arbeitgeber Truffaldinos. Als beide im selben Gasthaus absteigen, beginnt für den „Diener zweier Herren“ ein stressiges Verwirrspiel. Er muss die sich anbahnenden Verwechslungen und Komplikationen irgendwie meistern und auf jeden Fall verhindern, dass die beiden sich über den Weg laufen. Dazu kommt noch die Verlobte Federigos, Clarice, die sich nach dessen Tod anderweitig gebunden hat, und kein Interesse an dem „wiederauferstandenen“ Bräutigam zeigt, ferner ein vor Eifersucht rasender Freund und zwei im Hintergrund schachernde Väter. Der eigentliche Gegenstand der Komödie ist aber, wie es der liebenswert unverfrorene Truffaldino schafft, der drohenden Entlarvung zu entgehen und sich durch das selbst angerichtete Chaos zu lavieren.
Das Landestheater Schwaben in Memmingen brachte unter der Regie von Britta Schreiber den „Diener zweier Herren“ in einer modernisierten Fassung auf die Bühne. Als Blickfang dient ein schneeweißer Pool, der mit unzähligen rosa Blüten gefüllt ist. Ein knalliger Sonnenschirm, zwei Strandstühle mit dem obligatorischen „Besetzt-Handtuch“ und ein knallblau beleuchteter Hintergrund – fertig ist das Idyll der Neuzeit. Passend präsentieren sich die Schauspieler. Der reiche venezianische Kaufmann Pantalone, dargestellt von André Stuchlik, trägt ein quitschbuntes Hawaiihemd, seine Tochter Clarice (Samantha Richter) stöckelt mit einem plüschigen Schoßhündchen im Arm als waschechter Paris-Hilton-Verschnitt über die Bühne, und der verhinderte Schwiegervater Dottore Lombardi (Peter Höschler) trägt zum Kassenbrillengestell den Tropenanzug.
Dreh- und Angelpunkt der Aufführung ist jedoch Wolfgang Haas als Truffaldino. Ganz in weiß gekleidet, erinnern noch zwei Rauten auf seinem Hemd an die Harlekin-Vergangenheit. Blitzschnell springt er von einer Stelle zur anderen, windet sich untertänig vor seinen Herren, um im nächsten Moment als selbstbewusst singender Entertainer im Glitzerjacket das Dienstmädchen Smeraldina (Anke Fonferek) zu umwerben. Höhepunkt seiner Darstellung ist die Servierszene, in der er im Höllentempo gleichzeitig beide Herren (rechts und links hinter den Kulissen) bedient. Haas gelingt das Kunststück, urkomisch zu sein, ohne ins Läppische abzurutschen. Die Inszenierung ist flott und gespickt mit witzigen Details. So gibt sich beispielsweise Beatrice Rasponi (Renate Knollmann) als Frau zu erkennen, indem sie einfach ihre lackierten Zehennägel vorzeigt. Drei knutschende Paare, umrahmt von einer kitschigen, roten Lichterkette, markieren das zwangsläufige Happy-End. Das Premierenpublikum belohnte die Schauspieler, allen voran Wolfgang Haas, mit viel Applaus. (Andrea Bölle)
Zum Auftakt der neuen Spielzeit bietet das Landestheater Schwaben dem Publikum mit „Der Diener zweier Herren“ eine höchst amüsante Komödie – (sehr) frei nach Goldoni – die von Britta Schreiber geschickt „entstaubt“ und schwungvoll inszeniert wurde. Die Premiere im Stadttheater war ein voller Erfolg.
Die junge Regisseurin, die bei den Bayerischen Theatertagen mit „Hysterikon“ gefiel, ist es anscheinend mühelos gelungen, das Stück – ursprünglich aus dem Jahre 1743 – ins 21. Jahrhundert zu transferieren und der vermeintlich altmodischen (Liebes)Geschichte zeitlose Gültigkeit zu verleihen. Denn menschliche Emotionen haben sich in Jahrhunderten nicht verändert, wie der Zuschauer unschwer feststellen kann. Mit einem Augenzwinkern legt die Regisseurin hier Menschlich-Allzumenschliches bloß und karikiert typische Verhaltensweisen.
Mit Sabine Manteuffel – bekannt für ihre einfühlsamen Bühnenbilder – hat Britta Schreiber die Handlung an einen Hotel-Swimmingpool verlegt und damit eine „Location“ geschaffen, die ohne sonst erforderliche Drehbühne auskommt. Mit zwei Liegestühlen, einem Sonnenschirm, dem azurblauen Himmel und einem „Rahmen“ wirkt die Bühne wie ein Urlaubsfoto. Dazu gehört das unvermeidliche Outfit des routinierten Reisenden, das den Schauspielern von Helga Furlani und ihrem Team auf den Leib geschneidert wurde: das klassische Hawaiihemd und Bermudashorts mit Socken und Sandalen für den älteren Herrn, für den jüngeren Shorts, Schlabber-Shirt und Badeschlappen, ein nabelfreier Minirock und Tops mit tiefem Einblick für die knackige Strandschönheit sowie (ein Muss) für den jungen Mann von Welt die Piloten-Sonnenbrille.
Allein diese Ausstattung reizt schon zum Lachen, doch es kommt noch besser: Die teils pathetischen Texte wurden modernisiert und mit kleinen Bonmots von heute garniert – so endet der Streit zwischen Pantalone und Dottore Lombardi mit dessen aufgebracht kategorischer Mitteilung „Ich habe fertig“ von Fußballtrainer Trappatoni. Auch wenn sie hin und wieder ein wenig auf die humoristische Pauke haut, zeigt Britta Schreiber in dieser Inszenierung ein ganz besonderes Feeling für subtile Komik. Wolfgang Haas, der schon in einigen humorvollen Rollen überzeugte, übertrifft sich diesmal selbst als Diener Truffaldino. Die Szene, in der er gleichzeitig den zwei Herren dient und beinen ein umfangreiches Menü serviert, gerät zu einer zauberhaften Pantomime, die einen Vergleich mit den Klassikern des Genres nicht zu scheuen braucht. Da weht nicht nur ein Hauch von Charlie Chaplin oder Stan und Olli durchs Parkett…
Am Ende wird der vielseitige Schauspieler als neuer Publikumsliebling gefeiert. Aber auch alle anderen haben den spontanen Szenen- und begeisterten Schlussapplaus verdient: Samantha Richter als naive Blondine Clarice, die mit Tobias Bode als linkischem Silvio das umwerfend komische Liebespaar spielt, André Stuchlik als bärbeißiger Pantalone, Peter Höschler als wichtigtuerischer Dottore Lombardi, Anke Fonferek als servile Zofe und das „dramatische“ Liebespaar, um das sich die Geschichte dreht: Renate Knollmann in der Hosenrolle der (verkleideten) Beatrice und Oliver Koch als „cooler“ Florindo bei seinem Erstauftritt am LTS. Die gesungene (!) Liebesszene der beiden ist ein Gag für sich. (ma)