ROTH – Das „Theater Pfütze“ hat sich für die Premiere seiner neuesten Produktion die Realschule Roth ausgesucht. Passenderweise ist „35 Kilo Hoffnung“ ein Klassenzimmerstück, mit dem das Nürnberger Ensemble seinem Repertoire eine neue Erzählform hinzufügt. Die Rother Realschülerinnen und -schüler der Klasse 7 b waren die ersten, die in ihrem Klassenzimmer das Ein-Mann-Theaterstück zu sehen und zu hören bekamen.
An Stillsitzen war für Christof Lappler bei seiner Lesung in der Realschule Roth nicht zu denken
Die Adaption der französischen Erzählung aus der Feder von Anne Gavalda, die im Jahr 2005 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert war, ist eine inszenierte Lesung, vorgetragen von Christof Lappler, der bereits seit 25 Jahren Schulspieler am Theater Pfütze ist.
Regie führte die freie Dramaturgin Britta Schreiber aus Berlin. Auf Kulissen im Klassenzimmer wurde bei „35 Kilo Hoffnung“ völlig verzichtet, abgesehen von Tisch und Stuhl und klug gesetzter akustischer Untermalung der Handlung, die von dem 13-jährigen David erzählt. Einem „echten Schlaffi“, wie er sich selbst bezeichnet, der den Unterricht hasst und Magenschmerzen bekommt, wenn er nur an die Schule denkt. Weder im Klassenzimmer noch auf dem Sportplatz kann er sich profilieren, und die Tatsache, dass sich seine Eltern zuhause permanent streiten, macht sein Leben auch nicht unbedingt einfacher. Der einzige Ort, an dem er sich wohl fühlt, ist der Schuppen seines Großvaters, wo die beiden stundenlang gemeinsam erfinden und vor sich hin basteln.
„Ich habe schon immer gerne mit den Händen gearbeitet“, verkündet Lappler alias David, der aus seinem tristen Schulalltag erzählt, von den Hänseleien seiner Klassenkameraden, von dem Versagen bei Prüfungen, und seiner Sehnsucht, genauso wie alle anderen einfach nur akzeptiert zu werden. Aber dieser Wunsch bleibt unerfüllt, und auch sein jüngstes Zeugnis erweist sich als ein „echter Schuss in den Ofen“, wie er meint.
Mit den Händen arbeiten
Aber es kommt noch schlimmer: Seine Eltern überlegen, den Sprössling auf ein Internat zu schicken. Noch mehr Schule! David beginnt, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Er macht sich auf die Suche nach einer Einrichtung, die für ihn geeignet ist, wo er mit seinen Händen arbeiten kann. Und wird schließlich fündig. In seinem Bewerbungsschreiben an die Direktorin einer Schule für technisch begabte Jugendliche bezeichnet er sich als „nicht sehr groß, aber bestehend aus 35 Kilo Hoffnung“, und fügt den Plan seiner selbst konstruierten „Bananenschelmaschine“ bei. Wenngleich er das Schälen nicht ganz richtig schreibt, bekommt er eine Zusage der Direktorin.
Als sein Großvater Leon, der weiß, dass mehr in seinem Enkel steckt, ins Koma fällt, bricht für David eine Welt zusammen. Aber am Ende wendet sich alles doch noch zum Guten und mündet in einem furiosen Finale im Sportunterricht auf dem Knotenseil, an dem der vermeintliche „Schlaffi“ über sich hinauswächst, als er zum ersten Mal von seinen Klassenkameraden angefeuert wird.
Wie David mit der Liebe und der Unterstützung seines Großvaters zum Glaube an sich und zur Freude am Leben findet, davon erzählt die Geschichte — unaufgeregt inszeniert, aber geschickt in die „Bühne Klassenzimmer“ eingebunden. So verließ der Schauspieler in ausgesuchten Passagen die Leseform und spielte die Szenen: Er lief aufgewühlt über die Tische der Schülerinnen und Schüler hinweg, blickte voller Sorge um den kranken Großvater aus dem Fenster, oder schrie seine jugendliche Frustration heraus, dass die Schüler ordentlich zusammenzuckten. Für die Zuschauer wurde erfahrbar, dass Lesen ein kreativer Prozess ist, bei dem durch die Fantasie des Lesenden eine Welt für sich erschaffen wird.
Die rund 50-minütige Inszenierung von „35 Kilo Hoffnung“ des Theaters Pfütze für Kinder und Jugendliche der fünften bis siebten Jahrgangsstufe kann gebucht werden unter gastspiel@theater-pfuetze.de
© Tobias Tschapka