Kampf. Landschaft danach • Carles Batlle i Jordà • Theater-LKW / später Hoffmann-Keller • Juni 2003 (DSE) • Festival „Neue Akzente“ Theater Augsburg im LKW-Anhänger (Sonderpreis für Regie) • 2004 Repertoire Hoffmannkeller, Theater Augsburg
I: Britta Schreiber, B + K: Daniel Gantz
(…) oder auf der Ladefläche eines LKW die Entdeckung eines in Deutschland noch völlig unbekannten spanischen Dramatikers machen. Carles Batlle i Jordà ist Dramaturg am Katalanischen Nationaltheater in Barcelona und wurde in seiner Heimat bereits mit höchsten Preisen ausgezeichnet. Sein Stück „Kampf. Landschaft danach“ beschreibt die Begegnung einer verarmten jungen Kriegswitwe und eines Soldaten vor dem ersten Fronteinsatz. Auf einer winzigen Drehscheibe, höchstens einen halben Meter vom kauernden Publikum entfernt, liefern Katharina Quast und Frank Siebenschuh in der Inszenierung von Britta Schreiber eine atemberaubend dichte Vorstellung. Die Liebe passiert ihnen in einem Moment der Ausweglosigkeit, die beide zu unerklärlichen Handlungen treibt, und mit einer Intensität, die sich in Augsburg schon auf Grund der Nähe unmittelbar auf den Zuschauer überträgt – 90 Minuten Rückenschmerzen, die sich gelohnt haben. (…)
Ein Theater bricht auf, zu fremden Ufern. Das Schauspiel des Theater Augsburg hat sich ein Festival für aktuelle Stücke und junge Talente spendiert: „Neue Akzente“. An drei Tagen wurden sieben neue Produktionen gestemmt, drei Uraufführungen darunter. Die Neugier des Publikums – beachtlich. Der Betrieb – bis an den Rand des Möglichen herausgefordert. (…)
Auf den Text konzentriert interpretierten Katharina Quast und Frank Siebenschuh „Kampf. Landschaft danach“. Ein Soldat, eine Frau: gegen die Abstumpfungen des allgegenwärtigen Kriegs, trotz unterschiedlicher Herkunft entwickelt sich zaghaft eine flackernde Liebesgeschichte: Das nachhaltigste Akzente-Erlebnis. Der enge Theaterraum auf einer Lkw-Pritsche suggeriert, wie ausgeliefert Menschen auf der Flucht sich fühlen müssen. Pfiffig, wie die Regisseurin Britta Schreiber und der Ausstatter Daniel Gantz das Stück von Carles Batlle i Jordà auf einer winzigen Drehscheibe in eine Spannung treiben, die den Nerv der Zeit trifft. Im Kleinen emotional aufgeladen, bricht der heute allgemein gewordene Konflikt auf, der nach Pavics Epos im osteuropäischen Raum begann. Das Festival hatte also ein düsteres Thema – warum (heute) Gewalt das Leben bestimmt. Nebenbei konnten am Augsburger Theater einige Theatertalente entdeckt werden. Ein schöner Erfolg fürs erste. (Thomas Thieringer)
Kampf. Landschaft danach, dieses Zweipersonenstück des Katalanen Carles Batlle, in Augsburg als deutsche Erstaufführung zu sehen, könnte im Kosovokrieg spielen, oder auch in Tschetschenien. Es bekriegen sich Volksgruppen im eigenen Land und der Glaube, die eigene Kultur, dienen als Motor und Legitimation für die Gewalt. Mitten drin: Eine junge Frau, deren Mann getötet wurde, die sich als Nutte durchbringt und in ihrem Zimmer neben vielen anderen Soldaten auch einen Zwanzigjährigen empfängt, der mehr Angst als Kampfeslust hat.
Die beiden jungen Leute, unterm niedrigen Gewölbe des Hoffmann-Kellers von Regisseurin Britta Schreiber und Ausstatter Daniel Gantz auf eine winzige Sofa-artige und schaukelnde Drehbühne gezwungen, kämpfen in rasch wechselnden Monologen ihre ganz eigenen Kämpfe, die dieser Krieg entzündete. Für Sie, der die ungewohnte Libertinage nicht schlecht gefällt, geht es auch um den uralten Krieg der Geschlechter. Temperamentvoll und vital, mal aggressiv, mal lässig führt Katharina Quast vor, wie eine junge Frau mit der früheren Überwachung und Unterwerfung Schluss macht, wie sie Spaß an gewonnener Macht findet. Er hat es schwerer, die Mannespflicht des Kämpfens anzunehmen, denn es geht um Leben oder Tod. Zart, mit leisen Tönen, redet Frank Siebenschuh gegen das Sterben an, berührend ist sein Suchen nach Liebe und einer Zukunft mitten im Krieg.
So ist die dritte, die Hintergrund-Figur dieser extrem verdichteten Zimmerschlacht, auch für jeden der beiden eine andere Instanz: Das romantische Frauenportrait der „Lady of Shalott“, das über dem Sofa hängt, bedeutet der jungen Frau die kontrollierende Mutter, von der sie sich lösen will, für den jungen Mann aber die schützende Mama in heiler Landschaft, nach der er sich sehnt. Das Alles erschließt sich freilich erst nach dem Showdown, bei dem Frau und Mann sich -versehentlich- gegenseitig erschießen. Carles Batlle hat seine dramatische Geschichte kräftig dekonstruiert, auf dass die Zuschauer sie sich rekonstruieren müssen. Dabei helfen die präzise Personenführung der Regie und die Präsenz der beiden jungen Schauspieler, so dass aus einem interessanten Text ein spannender Theaterabend wurde.